In Memoriam
Die HIrsche, Sauen und Rehe werden wohl keinen Gedanken daran verschwenden, wer hier für reiche herbstliche Mast gesorgt hat. Ich erinnere mich aber noch gut. Unser damaliger Forstamtsleiter, Forstmeister Hubertus Feuerborn, und sein Revierförster Reinhold Gumpp waren Wald und Wild sehr zugetan. So legten sie denn auch im Einvernehmen mit unserer Gemeinde mitten im Hochwildrevier zwei Kastanienallen an. In diesem Jahr war die Ausbeute recht gering. Ein später Frost hat viele Blüten erfrieren lassen. In vielen anderen Jahren waren die Kastanienalleen Treffpunkte für Hirsch, Reh und Schwarzwild.
Die reichen Blüten ließen für den Herbst eine reiche Mast erwarten. Der späte Frost hat aber einen Strich durch die Erwartungen gemacht. Die bemooste Ruhebank, noch zu Dymanit Nobels Zeiten, wird so maches Stück Hochwild erlebt haben.
Alle Jahre wieder, meist erst in der zweiten Hälfte der Brunft schlagen die Hirsche diese nasse Stelle im Wiesengrund auf und richten sich eine fette Suhle her. Über Hirschgenerationen hinweg wissen sie immer die guten Stellen zu finden.
1976 habe ich meinen ‚Jagdschein gemacht‘. Nach einem langen und gründlichen Ausbildungs-Jahr mit viel Praxis und auch Schießtraining und einer abschließeneden Prüfung konnte ich dann endlich mein Prüfungszeugnis in der hand halten und meinen ersten Jahresjagdschein lösen.
Schon drei Jahre später ergab sich die Möglichkeit, ein eigenes Jagdrevier zu pachten. In dieser Jagd legte ich meine Gesellen-prüfung ab. Meine Meister-prüfung folgte aber erst Jahre später in einem weiteren Revier, das ich 2004 , ebenfalls in unserer Gemeinde, pachten konnte. Aus diesen inzwischen bald 50 Jägerjahren erzähle ich hier.
Jagen im Taunus
Vieles ist angeboren. Es gibt aber auch Dinge, in die man hineingeboren wird. Ich jedenfalls wurde hineingeboren in eine Landschaft im Hintertaunus, die bestimmt ist von weiten Wäldern, eingestreuten Feldern und einer Jahrtausende langen Tradition in der Metallgewinnung und Metallverarbeitung.
Ich wurde hineingeboren in eine Landschaft, in der Rot- und Schwarzwild zu Hause sind, Rehwild eine große, das übrige Niederwild aber eine kleinere Rolle spielt, in der die Menschen auch heute noch der Jagd zugewandt sind und sie als notwendige Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben zwischen Feld, Wald, Mensch und Wild sehen.
Geboren wurde ichin den letzten Kriegsmonaten im Herbst 1944. Wegen der ständigen Fliegerangriffe auf die Weiltalbahn und den Bahnhof Audenschmiede war meine Mutter für die Geburt nach Wolfenhausen ‚ausgelagert‘. In das Dorf, in dessen Wäldern der Schinderhannes verhaftet wurde, in das Dorf, in dessen Gemarkung vor 200 Jahren der letzte Wolf in der Gegend erlegt wurde und dessen Revier ich später für ein Jahrzehnt pachten und bejagen konnte.
Ich wuchs auf in der Audenschmiede, dem wohl kleinsten Ort des mittleren Weiltals, der bestimmt war durch seine Eisengießerei, ein paar wenige Häuser und seinen Bahnhof.
Das Bild zeigt die Audenschmiede im Übergang aus dem späten Mittelalter in das Industriezeitalter. Aus ‚Udos Schmiede‘ wurde die Audenschmiede. Überall an den Hängen des Weiltals sind noch die alten Meilerplätze zu erkennen. Dort wurde das Holz der umliegenden Wälder zu Holzkohle verschwelt, mit der dann das lokal gewonnene Eisen aus dem Erz geschmolzen wurde. Aufmerksame Jäger und Naturfreunde sehen, dass unser Wild die alten Meilerplätze mit ihren Asche- und Holzkohlenteerresten immer wieder gern aufsucht. Ähnlich wie die Malbäume mit Holzkohlenteer.
Wikipedia: Am 1. April 1798 ging die Audenschmiede in den Besitz von Bergrat Johann Wilhelm Buderus über, nachdem er sie laut Vertrag vom 20. Oktober 1797 von den Wachterschen Erben in Usingen für 27 500 Gulden gekauft hatte.
Aus Udos Schmiede, die der Audenschmiede ihren Namen gab, entwickelte sich in der beginnenden Industriezeit eine bedeutende Eisengießerei, die schließlich in den Besitz der Familie Buderus aus Wetzlar gelangte. Die reichen Wälder rund um die Audenschmiede und Weilmünster bewogen Johann Wilhelm Buderus, auf einem Felskopf zwischen Weilmünster und Audenschmiede das „Buderus’sche Jagdschlösschen“ zu bauen.
Später gelangte das Jagdschlösschen in den Besitz der Landes- Heil- und Pfleganstalt. Traurigen Ruf erlangte es in der Nazi-Zeit als Residenz eines üblen Schergen des Nazi-Regimes. Seit der letzten Jahrhundertwende ist es in Privatbesitz.
Der Audenschmieder Bahnhof
Es war ein besonderer Bahnhof. Dank seiner Lage war er Ein-und Ausstiegspunkt für alle, die die Orte im oberen Weiltal erreichen wollten. Von Emmershausen, über Weilrod, Weilnau bis hinauf nach Schmitten.
Der kleine Bahnhof war wegen seiner Eisengießerei und dem Holzumschlag zugleich der wichtigste Warenumschlagsplatz im ganzen Weiltal.
Abgesehen von den zahlreichen Gießereiwaren gab es kaum einen Baumstamm, der im mittleren und oberen Weiltal geschlagen wurde, der nicht in Audenschmiede auf die bereit stehenden Rungenwagen verladen wurde. Ich rieche noch heute die dampfenden Pferdegespanne mit ihren umgehängten Hafersäcken und sehe dazwischen die unzähligen Spatzen, die alle herunterfallenden Haferkörner dankbar aufpickten. Und wenn dann die Stämme mühsam und unter großer Gefahr mit reiner Muskelarbeit verladen waren, hielten die Fuhrleute noch einmal im Gasthaus an der Weil für den einen und anderen Fuhrmannsschnaps an. So gestärkt hüllten sie sich in ihre Pferdedecken, zogen die Schildkappen ins Gesicht, brachten mit einem kurzen Peitschenhieb und einem Jurr die Pferde in Gang und ließen sich schlafend nach Hause fahren. Für uns Kinder war das trotz aller Not der Nachkriegsjahre eine goldene Zeit. Wie spielten zwischen den Pferden und lauschten den Geschichten der Holzleute von Wald, Wild und Jagd
So gut wie jedes Stück Wild, das nicht in der heimischen Küche verwendet wurde, trat vom Bahnhof Audenschmiede aus in den Gepäckwagen der damals noch zahlreich verkehrenden Züge, seinen Weg in die Stadt, also nach Frankfurt an. Kühlkette und Wildhygiene waren kein großes Thema. Das Wild lag auf dem Bahnsteig zum Verladen bereit auf einem zweiachsigen Handkarren, umschwärmt von tausenden von Fliegen. Bis es nach Frankfurt gelangte, war es abgelagert und reif. Es war die Zeit des Aufbruchs. Die Frankfurter schätzten Taunuswild mit Hautgout.
So wie das Wild nach Frankfurt gelangte, kamen damals in umgekehrter Richtung die Jäger und Jagdpächter aus Frankfurt, Oberursel und Bad Homburg mit Fahrrad, Rucksack, Hund und Drilling mit der Bahn zur Audenschmiede. Von hier aus traten sie dann den Weg in ihre Reviere an.
Der Audenschmieder Bahnhof war auch der Ort, an den sich Ende der zwanziger Jahre der Langenbacher Jagdpächter rettet, nachdem er im letzten Büchsenlicht den wohl letzten Bären in Deutschland erlegt hatte.
Der Langenbacher Bär
Vom letzten in Deutschland erlegten Bären erzähl ich in der nächsten Folge.
Audenschmieder Buben um 1925 beim Eislaufen auf dem Audenschmieder Weiher.
Dazu muss man wissen, dass mein Vater von 1925 bis 1933 damals jeden Morgen von der Audenschmiede rauf nach Langenbach zur Volksschule mit all den anderen Kindern aus der Audenschmiede zur Volksschule hoch nach Langenbach lief und am Morgen nach der Freveltat am Tatort vorbeikam. Natürlich war das in einer an Nachrichten armen Zeit Gesprächsstoff im Weiltal.
Alle Jahre wieder, meist erst in der zweiten Hälfte der Brunft, schlagen die Hirsche diese nasse Stelle im Wiesengrund auf und richten sich eine fette Suhle her. Sie wissen über Generationen genau die geeigneten Stellen zu finden.